Im Verkauf der Flexibelpack GmbH klingelt das Telefon – ein Kundengespräch. Frau Sache (alles fiktive Namen) nimmt den Anruf freundlich entgegen. Herr Toner, Einkaufsleiter der Büroartikelversand AG, ist auf der Suche nach speziellen Versandtaschen: Er will zerbrechliche Güter wie CDs, DVDs, aber auch LCD-Bilderrahmen versenden. Frau Sache berät Herrn Toner, indem sie sich gemeinsam das Produktportfolio der Flexibelpack auf ihrer Internetseite ansehen. Herr Toner bekommt so recht schnell eine gute Vorstellung von der speziellen Polsterfunktion, den Formaten, den Verschlussmöglichkeiten, Stückzahlen und individuellen Bedruckungsmöglichkeiten. Herr Toner ist begeistert von den informativen Webseiten des Unternehmens.
Eine gute Erstberatung verstärkt das Kundeninteresse und steht am Anfang eines jeden Neuauftrags. |
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Die Angebotsabteilung, vertreten durch Frau Sache, vereinbart mit Herrn Toner, dass er noch heute ein schriftliches Angebot über 25.000 Stück im Format 170 x 225 + 50 mm per Fax und per E-Mail erhält. So- fort wird im Betriebsdatenerfassungssystem – ein genau auf die Bedürfnisse der Flexibelpack GmbH abgestimmtes SAP-Betriebssystem – ein Kundenangebot erstellt. Um den Kundenangebotspreis genau zu ermitteln, muss zuerst eine interne Kalkulation durchgeführt werden. Hierzu müssen die Kosten für alle anfallenden Tätigkeiten bis zum fertigen Endprodukt, die Kosten für die benötigten Materialien sowie der zu erzielende Gewinn berücksichtigt werden.
Für den Kunden sind die folgenden Details aus dem Angebot ersichtlich: Die genaue Artikelbezeichnung, das Material, der Preis pro Einheit, die Lieferzeit sowie die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Flexibelpack GmbH. Ein Angebotspreis muss alle unternehmensintern anfallenden Kosten für die Herstellung eines Produktes sowie die Gewinnmarge des Unternehmens beinhalten.
Abb. 49: Kundenangebot der Flexibelpack GmbH für Herrn Toner von der Büroartikelversand AG
(Quelle: Eigene Darstellung)
Parallel gehen per Post einige Produktmuster direkt zum Kunden. Der Außendienst erhält ebenfalls eine Kopie des Angebots, falls auf diesem Informationsweg weitere Rückfragen an das Unternehmen herangetragen werden.
Abb. 50: Produktmuster von verschiedenen Versandtaschen mit Polsterfunktion
(Quelle: Eigene Darstellung)
Wenig später erhält Herr Toner das Angebot per E-Mail. Es macht für Herrn Toner einen vielversprechenden Eindruck. Das liegt an dem versprochenen kurzfristigen Liefertermin und dem gleichzeitig moderaten Preis. Das Tempo der Angebotserstellung und der Bemusterung beeindruckt den Kunden. Herr Toner möchte mit seiner Entscheidung, den Auftrag zu erteilen, aber noch abwarten, bis er die Handmuster gesehen hat. Bereits am nächsten Tag hat er fünf verschiedene Versandtaschenmuster per Postexpress auf dem Schreibtisch. Beeindruckt von der Papierqualität, der speziellen Polsterfunktion, den verschiedenen Verschlusstechniken und der 4-farbigen Druckqualität greift er sofort zum Telefonhörer.
Spontan erteilt Herr Toner mündlich den Auftrag. Frau Sache bittet ihn jedoch noch um eine kurze schriftliche Erklärung per E-Mail und erhält diese. Aufträge sollte man nur schriftlich annehmen. Anschließend erstellt sie im BDE-System einen Produktionsauftrag. Auftragsnummer und Kundennummer werden automatisch vom Programm erstellt. Eine Auftragsmappe wird angelegt. Der Kundenauftrag ist nun in der Auftragsvorbereitung registriert.
Nach Kundenwünschen erstellt die Designabteilung mit einem Grafikprogramm ein Druckmotiv. Von diesem Motiv wird mit einem Proofdrucker ein farbverbindlicher Ausdruck (Proof) erstellt. Eventuelle Unstimmigkeiten können so vor dem Druck vom Kunden korrigiert und in der Designabteilung abgeändert werden. Erst nach der Druckfreigabe durch den Kunden und der Klärung des endgültigen Produktionstermins geht eine Auftragsbestätigung an den Kunden.
Abb. 51: Handskizze einer Versandtasche im Format B5 (Quelle: Eigene Darstellung)
Erst jetzt legt Frau Sache im SAP-Betriebssystem einen genauen Produktionsauftrag an. Dieser beinhaltet die Artikelnummer und die Menge sowie eine Stückliste mit der genauen Produktionsmenge inklusive Materialbedarf zuzüglich Ausschuss. Gleichzeitig wird ein Arbeitsplan erstellt. In diesem werden die Maschinenbelegung, die Maschinenlaufzeiten, der Fertigungsbeginn und das Fertigungsende festgelegt.
Da der Kunde mit dem Druckbild zufrieden ist, kann der Auftrag direkt in die Druckvorstufe weitergeleitet werden. Dort wird vom Motiv ein Film erstellt. Dieser Film wird als seitenrichtiges Negativ erstellt. Dazu wird der Film auf eine Cyrel-Druckplatte gelegt und im Belichter belichtet. Im Anschluss daran wird die Platte ausgewaschen und nachbelichtet. Cyrel® FAST ist eine spezielle thermische Technologie für die Entwicklung von Druckplatten. Dabei werden herkömmliche Lösemittel und Auswaschflüssigkeiten eingespart. Neben der Umweltfreundlichkeit dieses Verfahren soll nach Hersteller- angaben die Plattenverarbeitungszeit um bis zu 75 % reduziert werden.
In der Produktionsplanung/Auftragsvorbereitung wird der Auftrag nun wirtschaftlich sinnvoll an den Maschinen eingeplant. Dies wird von den momentan anstehenden Aufträgen und den geplanten Maschi- nenlaufzeiten bestimmt. Durch geschickte Kombination der Auftragsreihenfolge lassen sich auch die Aufwände für das Rüsten und damit Rüstzeiten deutlich reduzieren. Das steigert die Produktivität. Einige Tage vor dem Produktionstermin kommt der Auftrag beziehungsweise die Auftragsmappe an die Maschine. Darin enthalten ist auch ein Formular für den Produktionsbericht, in dem alle wichtigen Punkte während der Produktion dokumentiert werden.
In der Produktion bestellt der Maschinenführer rechtzeitig im Wareneingang die Materialien für den Auftrag – Mantelpapier für die Versandtasche, Polyethylenfolie, Farbe, Leim, Verschlüsse, Kartons mit Etiketten für den Abpackprozess sowie die benötigten Europaletten.
Der Wareneingang unterzieht alle diese Materialien einer Wareneingangsprüfung. Diese beinhaltet den Soll-Ist-Vergleich des Lieferscheins, verschiedene stichprobenartige Materialprüfverfahren je nach Spezifikation (zum Beispiel flächenbezogene Masse, Dickenmessung, Feuchtgehalt, Saugfähigkeit), die Einbuchung in das SAP-System sowie die Einlagerung ins Rohstofflager. Eine genaue Wareneingangs- kontrolle ist sehr wichtig. Fehler in den Vorprodukten beeinträchtigen später sonst die Produktion.
Aus der Druckvorstufe wird die auf den Druckzylinder aufgeklebte Druckplatte angefordert. Für jeden Produktionstag gibt es einen genauen Maschinenlaufplan, aus dem die Auftragsreihenfolge ersichtlich ist.
Die Produktion kann beginnen. Der Maschinenführer rüstet die Maschine nach den Erfordernissen des Auftrags um. In unserem Fall muss nur das Druckklischee gewechselt werden.
Abb. 52: Produktionsbericht zur Dokumentation aller wichtigen Vorfälle während der Produktion. So lassen sich eventuell entstandene Fehler genau zurückverfolgen. Die Fehlerbehebung wird dadurch erleichtert. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 54: moderne Sleevetechnologie (Quelle: WuH-Lengerich.de)
Da sich der Kunde für einen einfarbigen schwarzen Druck entschieden hat, muss die Farbe nicht gewechselt werden. Die richtigen Papierrollen müssen in die Maschine eingespannt werden. Das Format ist gegebenenfalls anzupassen. Für den speziellen Verschluss der Versandtasche muss ein Aufreißfaden eingezogen werden. An der Maschinenablage müssen die richtigen Abpackkartons mit den passenden Etiketten sowie ausreichend Paletten bereitgestellt werden. Parallel dazu müssen alle Tätigkeiten auf den entsprechenden Formularen protokolliert beziehungsweise in das BDE-System eingegeben werden. Während der Produktion zieht der Maschinenführer Stichproben zur Überwachung der Produktionsqualität (Format, Druckbild, Aufreißfaden).
Produktionsfehler können so sofort festgestellt werden. Und bei Bedarf kann eingegriffen werden. Da es sich beim Auftrag für Herrn Toner um einen Erstauftrag handelt, muss dieser zusätzlich vom Schichtfüh- rer oder Bereichsleiter abgezeichnet werden.
Der aktuelle Stand des Auftrags kann jederzeit in SAP abgerufen werden. Dazu wird im Produktionsprozess jede fertige Palette mit einem Palettenlaufzettel versehen und im BDE-System eingetragen: So ist der Vertrieb jederzeit über die aktuelle Produktionsmenge informiert. Über die Betriebsdatenerfassung und das SAP-System kennen alle Beteiligten im Unternehmen jederzeit den Stand der Auftragserfüllung. Der Palettenlaufzettel wird für die Einlagerung im Hochregallager benötigt.
Innerbetriebliche Logistik – der Weg von der Maschine ins Hochregallager
Die Paletten laufen über ein Rollband zu einem Sammelpunkt. Dort werden sie vom Staplerfahrer abgeholt. Dieser lagert die Palette an einem vom BDE-System vorgesehenen Platz im Hochregallager ein. Wenn die geforderte Stückzahl erreicht ist, wird der Auftrag im BDE-System komplett fertig gemeldet.
Abb. 55: Briefhüllen- und Versandtaschenmaschine der Baureihe W+D 349 (Quelle: Winkler-Dünnebier)
Was, wo, wie? Innerbetriebliche Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg
Rechtzeitig vor dem geplanten Liefertermin bestellt Frau Sache, mit dem dafür vorgesehenen Formular, im Hochregallager die fünf Europaletten mit je 250 Kartons, einem Kartoninhalt zu je 100 Stück Polster- versandtaschen. Die Fertigware kann nur mit dieser Bestellanforderung vom Hochregalwarenlager an das Versandbüro ausgelagert werden.
Abb. 56: Blick in ein Hochregallager. Alle Stellplätze sind nummeriert. Blick in das Papierlager. Die Rollen sind teilweise mit PE-beschichtetem Papier zum Schutz gegen Feuchtigkeit eingeschlagen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Versandbüro plant die Auslieferung des Auftrags zum von Frau Sache vereinbarten Termin. Der Lieferschein wird erstellt. Die Kommissionierung der bestellten Liefermenge wird veranlasst. Staplerfahrer Klaus verlädt die Paletten auf dem LKW der Versandabteilung oder einer beauftragten Spedition.
Abb. 57: Eine eigene Fuhrparkflotte erfüllt Marketingaufgaben. (Quelle: Eigene Darstellung)
In der Buchhaltung wird im SAP-System des Unternehmens nach der Warenausgangsbuchung automatisch die Rechnung für den Postversand generiert. Die Buchhaltung verfolgt den Zahlungseingang durch den Kunden innerhalb des vereinbarten Zahlungszieles. Gerät der Kunde in Zahlungsverzug, erhält er automatisch eine Mahnung (Mahnverfahren: 7-tägig). Falls der Kunde permanent nicht bezahlt, wird nach der vierten Mahnstufe ein Inkasso-Unternehmen beauftragt.
Einige Wochen nach Abschluss dieses Geschäftsprozesses wird Herr Toner von der Kundenbetreuung telefonisch kontaktiert. Herr Toner zeigt sich im Telefonat begeistert von der absolut reibungslos abgelaufenen ersten Geschäftsbeziehung. Weitere Aufträge sind schon in seiner Planung. Gute und schnelle Bedienung von Kundenanliegen macht Wiederholungsaufträge wahrscheinlicher.
Fragen zum Praxisbeispiel 2: Versandtasche mit Polsterfunktion
Kalkulieren Sie dazu die Materialkosten, die Hilfsstoffkosten, die Maschinenkosten sowie die Gesamtkosten für diesen Auftrag!
Folgende Angaben sind bekannt: