Der Oberbegriff für die in der Papiererzeugung verwendeten Fasern ist Faserstoff. Darunter werden die aus Holz gewonnenen primären Fasern ebenso verstanden wie die aus Altpapier stammenden sekundären Fasern. Aber auch die für einige spezielle Papiersorten benötigten textilen Fasern oder synthetische Fasern zählen zu den Faserstoffen.
Von Holzstoff spricht man, wenn der Aufschluss des Holzes ausschließlich mechanisch oder mechanisch nach geeigneter Vorbehandlung des Holzes erfolgt. Wird ausschließlich chemisch aufgeschlossen, spricht man von Zellstoff.
Beim rein mechanischen Aufschluss verwendet man zwei unterschiedliche Hauptmethoden:
1. Steinschliff. Ein rotierender Schleifstein, gegen den Stammholzabschnitte mit einer Länge entsprechend der Schleifsteinbreite (meist etwa 1 m) in Gegenwart von Wasser gepresst wird, zerfasert das Holz. Dieses klassische Verfahren wird auch mit Holzschliff bezeichnet (vgl. Abbildung 72a).
Abb. 72a: Schematische Darstellung der Holzstofferzeugung mittels Schleifstein (Bildquelle: VDP)
2. Refiner-Holzstoff. Ein Refiner besteht im Wesentlichen aus zwei motorisch angetriebenen, im geringen Abstand zueinander rotierenden gezahnten Stahlscheiben. Vor dem Zerfaserungsprozess muss das Holz zunächst in Hackschnitzel mit einer Kantenlänge von 10 – 20 mm zerkleinert werden. Die Hackschnitzel werden dann in Gegenwart von Wasser zentrisch in den Spalt zwischen den Scheiben gepresst und dabei zerfasert (vgl. Abbildung 72b). Im Englischen wird der Prozess mit „Mechanical Pulping“ bezeichnet.
Abb. 72b: Schematische Darstellung der Holzstofferzeugung mittels Refiner (Bildquelle: VDP)
Beim Refiner-Holzstoff kann die Qualität des erzeugten Stoffs wesentlich verbessert werden, wenn die Hackschnitzel thermisch – in der Regel durch Dämpfen – vorbehandelt werden. Diese Holzstoffe werden nach der englischen Verfahrensbezeichnung mit TMP (Thermomechanical Pulp) bezeichnet. Mithilfe einer zusätzlichen chemischen Vorbehandlung können weitere Verbesserungen der Zerfaserbarkeit der Hackschnitzel und damit der Güte der Holzstoffe erreicht werden. Für dieses Verfahren wird das Kürzel CTMP (Chemithermomechanical Pulp) verwendet.
Bei der Holzstoffherstellung – auch beim CTMP – wird die chemische Zusammensetzung des Holzes nicht verändert. Da das im Holzstoff enthaltene Lignin mit der Zeit gelb wird, ist die Vergilbungsneigung ein typisches Merkmal von Holzstoff sowie aus Holzstoff hergestellter Papiere. Auf der anderen Seite können die mechanischen Aufschlussbedingungen in weiten Grenzen variiert werden, sodass je nach gewählter Bedingung sehr dichte, aber auch sehr voluminöse Papiere hergestellt werden können.
Aus Holzstoff hergestellte Papiere heißen holzhaltige Papiere. Aus Holzstoff hergestellte Papiere neigen zum Vergilben.
Der Aufschluss kann auch chemisch erfolgen, wobei aber ein ganz anderes Ziel verfolgt wird als beim CTMP und natürlich auch andere Chemikalien eingesetzt werden. Rohstoff sind wieder Hackschnitzel, die in einem aufwendigen Kochprozess mit geeigneten sauren oder alkalischen Chemikalien behandelt werden, wobei die Kittsubstanz im Holz – das Lignin – in eine wasserlösliche Form umgewandelt wird. Das Lignin kann dann nahezu vollständig aus der Holzsubstanz herausgewaschen werden. Übrig bleiben die Fasern aus Cellulose und Hemicellulose. Der so erzeugte Faserstoff heißt Zellstoff und die daraus herge- stellten Papiere sind die holzfreien Papiere.
Je nach Wahl der Aufschlusschemikalien erhält man den sogenannten Sulfitzellstoff für Papiere mit hohen Weißgrad- und geringen Festigkeitsansprüchen oder den Sulfatzellstoff für Papiere mit hohen Festigkeitsansprüchen. Für letzteren ist auch der Begriff Kraftzellstoff geläufig. Die daraus hergestellten Papiere heißen dann Kraftpapiere.
Zellstoffe sind je nach Grad der Ligninentfernung bräunlich bis weiß.
Der Prozess, mit dem die letzten Reste des Lignins aus dem Faserstoff entfernt werden und bei dem der anfänglich braune Faserstoff immer weißer wird, heißt Bleiche. Er erfordert andere Chemikalien als der Aufschlussprozess: Oft sind dies Chlordioxid, Peroxid oder Sauerstoff. Hoch gebleichte und nahezu ligninfreie Zellstoffe sind weiß, daraus hergestellte Papiere vergilben wegen des fehlenden Lignins nicht. Ungebleichte Kraftzellstoffe werden vorzugsweise für die Herstellung von Verpackungspapieren und Wellpappenrohpapieren verwendet, weil dort die bräunliche Färbung in der Regel nicht stört. Die Hauptprozessschritte der Zellstoffherstellung zeigt Abbildung 73 schematisch.
Abb. 73: Schematische Darstellung der Hauptprozessschritte der Zellstoffherstellung (Bildquelle: VDP). Zu den Verfahrensschritten „Mahlen“ und „Reinigen“ siehe Abschnitt 2.1.5.
Aus dem Rücklauf und der Aufbereitung (Recycling) gebrauchter holzhaltiger und holzfreier Papiere, nach Möglichkeit aufgeteilt in weiße oder helle Altpapiere und braune Altpapiere, entsteht der Altpapierstoff, die dritte sehr wichtige Rohstoffquelle der Papierindustrie. Die daraus hergestellten Papiere heißen Recyclingpapiere. Die Grundzüge der Altpapieraufbereitung für weiße Altpapiere zeigt Abbildung 74 schematisch.
Abb. 74: Grundzüge der Aufbereitung weißer und heller Altpapiere zu Altpapierstoff (Bildquelle: VDP)
Aus weißen beziehungsweise hellen Altpapieren werden Altpapierstoffe hergestellt, die überwiegend für grafische Neupapiere Verwendung finden. Die Aufbereitung dieser Altpapierstoffe ist durch den Prozessschritt Deinking gekennzeichnet, in dem die mehr oder weniger vollständige Entfernung von Druckfarben aus dem Faserstoff angestrebt wird. Deinking (engl. ink = Tinte) nennt man die Entfernung von Druckfarben aus Altpapier. Grundlage dafür ist ein mit Flotation bezeichneter Prozess, dessen prinzipielle Funktionsweise Abbildung 75 zeigt.
Abb. 75: Prinzip der Druckfarbenentfernung (Deinking) durch Flotation (Bildquelle: VDP)