3.4.1 Auswahl- und Gestaltungsgrundsätze (Karton und Vollpappe)
In diesem Kapitel wollen wir uns das Material und die Konstruktion in Abhängigkeit vom Produkt näher betrachten. Jedes Produkt – ob Schrauben oder Pralinen – hat ein eigenes Anforderungsprofil. In folgender Matrix sind beispielhaft einige Marktsegmente und Anforderungsprofile gelistet. Ein Marktsegment ist eine
Gruppe zusammengehöriger Bereiche des Gesamtmarktes – zum Beispiel Lebensmittelverpackungen. Eine Matrix informiert sehr schnell darüber, welche konstruktiven Voraussetzungen eine Verpackung für unterschiedliche Marktsegmente haben muss. Je nach Anforderung kann diese Tabelle mehr oder weniger umfangreich sein.
Abb. 250: Matrix eines Anforderungsprofils (Quelle: Eigene Darstellung)
Als Beispiel gleichen wir das Marktsegment „SB-Verpackung“ mit unserem Anforderungsprofil ab.
a) Originalitätsverschluss:
Diese Konstruktion lässt erkennen, ob eine Verpackung schon geöffnet wurde. Dies ist vor allem im SB-Bereich (SB = Selbstbedienung) sehr wichtig (Verschmutzung/Vollständigkeit des Inhaltes einer Verpackung).
b) Stapelfähigkeit:
Wenn Verpackungen mit Waren beim Kunden gestapelt werden sollen, schließt das Kissenpackungen oder Blisterkarten aus. Unter „Kissenpackung“ versteht man Verpackungen in Linsenform.
c) Staubdichtigkeit:
Großformatige Verpackungen benötigen dazu unter Umständen einen Klebeverschluss. Vorhandene Fensterausstanzungen müssen mit Folie hinterklebt sein.
Um die optimale Verpackung für ein Produkt zu finden, bietet sich ein Abgleich des Anforderungsprofils mit Konstruktionen aus dem ECMA-Katalog an.
Nachfolgend erarbeiten wir an einem weiteren Beispiel die Abstimmung zwischen Konstruktion und Anforderungsprofil. Ein Kunde aus der Pharmaindustrie benötigt eine Verpackung für sechs Ampullen mit je 5 ml Inhalt sowie einer Packungsbeilage. Geforderte Auflage: eine Million Packungen jährlich. Die Ampullen sind OTC-Präparate und sollen über Discounter vertrieben werden. (OTC-Präparat = „Over the counter“ = „über die Verkaufstheke“ = Arzneimittel, die man ohne Rezept kaufen kann.)
Anforderungsprofil: bruchsicher, Produkttrennung, Fach für die Packungsbeilage, Originalitätsverschluss, staubdicht, stapelbar. Im folgenden Schritt wollen wir das Anforderungsprofil mit Konstruktionen aus dem ECMA-Code abgleichen.
Abb. 251: Anforderungsprofil Baugruppen
Beispielhaftes Anforderungsprofil für die Medikamentenverpackung. Kreuzchen markieren die Kriterien, die die einzelnen Baugruppen der Verpackung erfüllen müssen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Grundsätzlich ist bei einer Auflagenhöhe von 1 Mio. Stück p.a. eine automatisierte Konfektionierung vorgegeben. Pro Jahr wird auch oft p.a. abgekürzt (lateinisch für pro anno). Mio. = Million. Baugruppen C, D, F und E (ECMA) schließen wir aus, da diese nicht über Standardmaschinen zu konfektionieren sind.
Mit der Baugruppe „A“ und einer Variablen der Baugruppe „F“ kann das Anforderungsprofil Staubdichtigkeit, Originalität, Produkttrennung, Stapelfähigkeit, Bruchsicherheit und automatisierte Konfektionierung erfüllt werden.
Abb. 252: Baugruppen A und F (unter den Bildern sehen Sie die ECMA-Codes) (Quelle: Eigene Darstellung)
Vor der Konstruktion steht die Frage: Wie können die Vorgaben verpackungstechnisch umgesetzt werden? Welche Kriterien aus dem Anforderungsprofil können mit dieser Konstruktion erfüllt werden?
Bruchsicherheit = Hohe Stabilität durch verklebte Laschen
Produkttrennung = Trennstege für Ampullen und Packungsbeilage
Originalität = verklebte Bodenlaschen, Deckel mit geklebtem Originalitätsverschluss
Staubdicht = verklebte Laschen
Stapelbar = durch verklebte Laschen hohe Belastbarkeit (Stauchdruck)
Aus den Vorgaben werden konstruktive Lösungen. Diese ist hier zum einen flachliegend und zum anderen konfektioniert zu sehen:
Abb. 253: Lösungsvorschlag im offenen Zuschnitt (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 254: Lösungsvorschlag konfektioniert (Quelle: Eigene Darstellung)
Der herausstehende „Zipfel“ ist die Lasche für den Originalitätsverschluss. Dieser wird nach dem Konfektionieren mit dem Deckel verklebt.
Die Auswahl einer Verpackung wird in der Regel ein Kompromiss sein. Neben den Anforderungen an die Konstruktion selbst sind auch Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von Bedeutung. Nachhaltigkeit in der Verpackungsentwicklung drückt sich in einem verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen aus – zum Beispiel Karton. Zur Nachhaltigkeit gehört auch eine schlanke Produktion.
Wir fassen zusammen: