Eine spezielle Form der Beschichtung ist das Lackieren. Wie in Abb. 9.3.1 gezeigt, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Lacksysteme. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in der Lage sind, auf oft be-druckten Papieroberflächen einen glatten und dichten Film zu bilden. Lacke haben Aufgaben zu erfüllen, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen, wobei auch Kombinationen beider Gruppen vorkommen:
Gruppe 1: Lacke mit funktionellen Merkmalen. Dazu zählen unter anderem Eigenschaften wie Siegelfähigkeit oder Antisiegelfähigkeit, Scheuerfestigkeit, Antihafteigenschaften, Reib- und Gleiteigenschaften, glänzende und matte Eigenschaften und vieles mehr.
Gruppe 2: dekorativ wirkende Eigenschaften. In erster Linie zur Erhöhung der Werbewirksamkeit einer Verpackung oder eines Druckerzeugnisses. So lassen sich beispielsweise mit der Spotlackierung mit einem Mattlack auf vollflächiger Vorlackierung mit Glanzlack attraktive Effekte erzielen, auf die unten näher eingegangen wird. Lacke für Dekorationszwecke müssen nicht zwangsläufig transparente Filme bilden, sie können auch pigmentiert sein, um bestimmte Effekte zu erlauben.
Mehr zu den Grundlagen des Lackierens findest du hier:
"Was das Leben bunt macht." als PDF, bereitgestellt vom FCI (Fonds der chemischen Industrie)
Zunächst werden hier die wichtigsten Lacksysteme mit ihren charakteristischen Merkmalen dargestellt.
Lösemittellack
Lösemittellacke („Nitrolacke“) entsprechen in ihrer Zusammensetzung lösemittelhaltigen Tiefdruck- und Flexodruckfarben, jedoch fehlt ihnen das dort vorhandene Farbmittel. Grundbestandteile sind somit Bindemittel, Additive und Lösemittel. Nach dem Auftragen trocknet der Lack sehr schnell physikalisch durch Wegschlagen (Einziehen) in das Papier und vor allem durch Verdunsten in die Atmosphäre. Das Bindemittel bildet dabei einen festen und dichten Film.
Lösemittellacke gibt es auch als 2-Komponenten-Lack: Hier wird die physikalische Trocknung (Verdunsten des Lösemittels) mit der Aushärtung durch die chemische Reaktion der beiden Komponenten kombiniert. Beide Lackkomponenten werden erst kurz vor der Verarbeitung miteinander vermischt. Die Reaktion der Komponenten beginnt unmittelbar nach ihrer Mischung. Infolge der Reaktion steigt die Viskosität des Lacks allmählich an. Diesem Viskositätsanstieg kann zunächst durch Lösemittelzugabe begegnet werden. Nach einer gewissen Reaktionszeit gelingt das aber nicht mehr, und der Lack ist dann nicht mehr zu verarbeiten. Das Zeitfenster der Lackverarbeitbarkeit bezeichnet man mit „Topfzeit“. Infolge der chemischen Reaktion der Komponenten bildet sich ein sehr beständiger und mechanisch belastbarer Lackfilm.
Dispersionslack
Die wichtigsten Rezepturbestandteile eines Dispersionslacks zeigt Abbildung 9.3.2.
Abb. 9.3.2: die wichtigsten Rezepturbestandteile eines Dispersionslacks (Quelle: Eigene Darstellung)
Nach dem Auftrag trocknen die Lacke physikalisch durch Wegschlagen des Wassers in das Papier beziehungsweise Verdampfen in die Atmosphäre. Letzteres wird in der Regel durch eine Trocknung beispielsweise durch einen Infrarot (IR)-Strahler unterstützt. Dabei lagern sich die Polymerpartikel zusammen und bilden schließlich einen Film (vgl. Abbildung 9.3.3).
Abb. 9.3.3: die Vorgänge bei der Filmbildung eines Dispersionslacks (Quelle: Eigene Darstellung)
Je nach der Auswahl der Rezepturbestandteile und ihrer Mischungsverhältnisse können Dispersionslacke mit spezifischen Eigenschaften ausgestattet werden, sodass sie optimal an folgende Zwecke angepasst werden können:
Schutzlacke
Überzug bedruckter Papiere mit einem vor Verscheuern und Verschmutzen schützenden Lackfilm.
Glanz- und Mattlacke
Speziallacke zur Erzielung besonders ausgeprägter dekorativer Glanz- oder Mattwirkung.
Gleitfähige Lacke oder Antirutschlacke
Je nach Anforderung können durch bestimmte Additive eine besonders hohe Gleitfähigkeit des lackierten Papiers oder auch genau das Gegenteil erreicht werden.
Nassblockfeste Lacke
Standard-Dispersionslacke können dazu neigen, in der Gegenwart von Feuchtigkeit klebrig zu werden und dann zu blocken. Diese Neigung kann durch geeignete Additive verhindert werden.
Ultraschallschweißbare Lacke
Speziallacke, die mithilfe der Schwingungsenergie von Ultraschall thermisch aktiviert werden können und die dadurch klebewirksam werden. Nach dem Abkühlen entsteht eine feste Verbindung zu Fügeteilen aus Papier oder Kunststofffolie.
Heißkalanderlacke
Speziallacke zur Herstellung von höchstem Glanz mithilfe eines Kalanders. Kalander (von frz. calandre „Rolle“) ist ein System aus mehreren aufeinander angeordneten beheizten und polierten Walzen aus Schalenhartguss oder Stahl. Diese erlauben es, durch den Drucknip der Walzen durchlaufende lackierte Papiere mit Druck und Hitze zu beaufschlagen. Der Lack wird dadurch in einen verformbaren Zustand gebracht, der es erlaubt, den Glanz und die Glätte der Kalanderwalzen auf seine Oberfläche abzubilden.
Effektlacke
Hierzu zählen Lacke, mit denen sich durch die Zumischung von speziellen Farb- oder Metallpigmenten spezielle Effekte erzielen lassen. Mit den heute verfügbaren Bronze- und Aluminiumpigmenten lassen sich sehr hohe Glanzwerte erzielen. Eine besonders dekorative Anmutung lässt sich mit Perlmuttpigmenten erzielen. Wenn das Lackauftragssystem die Erzeugung sehr hoher Lackschichtdicken zulässt, wie es beispielsweise im Siebdruck der Fall ist, können Oberflächenreliefs realisiert werden, die sich durch Betasten spüren lassen. Auf diese Weise lassen sich sogar Blindenschriften drucktechnisch erzeugen.
Aussparungen/Spot-Lackierungen
Mit Spotlackierungen lassen sich dekorative Effekte auf der zu lackierenden Oberfläche erzielen, zum Beispiel durch Hochglanzlackierung von Bildern, während das Bildumfeld unlackiert bleibt oder mit Mattlack lackiert wird. In jedem Fall müssen die bedruckten und lackierten Flächenelemente sehr exakt übereinander liegen. Auch wenn der Lack hoch transparent oder lasierend ist, würden Passerfehler sehr stören. Aussparungen (lackfreie Stellen) werden beim Lackieren von Faltschachteln benötigt, um die Verfestigungsgeschwindigkeit der verwendeten Dispersionsklebstoffe nicht durch eine vom Lack gebildete Sperrschicht zu behindern. So dürfen Pharmafaltschachteln, die mittels wässrigem Inkjet mit variablen Daten und/oder Serialisierungsnummern versehen werden müssen, an den zu bedruckenden Stellen nicht lackiert sein. Zum Lackieren werden in der Regel Lackplatten beziehungsweise Vollton-Flexoplatten verwendet, bei denen die Aussparungen für die lackfreien Stellen manuell eingeschnitten werden.
Duftlacke
Mit Lacken als Gestaltungselement für Verpackungen lassen sich – wie gezeigt – die visuelle und die haptische Wahrnehmung ansprechen. Mit Duftlacken kann auch der Geruchssinn mit einbezogen werden. Dazu werden mikroverkapselte Duftstoffe in den Lack vor dem Auftrag eingearbeitet. Wenn die im Lackfilm eingebetteten Mikrokapseln zum Beispiel durch Reiben oder allein schon durch Berühren der Oberfläche beschädigt werden, wird der Duftstoff freigesetzt.
Drucklack
Ein Drucklack ist im Wesentlichen eine Offsetdruckfarbe ohne Farbmittel. Ihre wichtigsten Rezepturbestandteile zeigt Abbildung 9.3.4.
Abb. 9.3.4: Hauptrezepturbestandteil eines Drucklacks (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Lackauftrag erfolgt mit einem Offsetdruckwerk. Der Lack wird mit dem Offset-Farbwerk verrieben und mit der für die Lackierung benutzten Druckform über das Drucktuch auf den Bedruckstoff übertragen. Spotlackierungen sind also einfach möglich. Wie die Bogen-Offsetfarbe auch, trocknet der Drucklack zunächst physikalisch durch Wegschlagen des Öls in das Papier. Dabei bildet sich ein weitgehend fester Harzfilm. Danach setzt die chemische Trocknungsphase durch Oxidation des Harzes mit Luftsauerstoff ein. Wie bei der Offsetfarbe ist die Schichtdicke von Drucklackfilmen mit etwa 2 μm (entsprechend etwa 2 g/m²) gering. Deshalb ist auch die Glanzwirkung von Drucklacklackierungen eher mäßig.
Strahlenhärtender Lack
Strahlenhärtende Lacke sind frei von verdunstenden oder wegschlagenden Bestandteilen wie Lösemittel oder Wasser. Sie bestehen vollständig aus chemisch reaktiven synthetischen Polymeren, die unter der Einwirkung energiereicher Strahlung in Sekundenbruchteilen einen außerordentlich festen, kratzfesten und beständigen Lackfilm bilden.
Abb. 9.3.5: die wichtigsten Rezepturbestandteile strahlenhärtender Lacke (Quelle: Eigene Darstellung)
Als energiereiche Strahlung kann UV (Ultraviolett)-Strahlung oder Elektronenstrahlung verwendet werden. Die jeweils wichtigsten Rezepturbestandteile strahlenhärtender Lacke zeigt Abbildung 9.3.5.
UV-härtende Lacke sind in der Papierverarbeitung das dominierende strahlenhärtende Lacksystem. Die Elektronenstrahlhärtung wird bevorzugt bei sehr dicken Lackfilmen verwendet, wie sie zum Beispiel bei der Herstellung von Laminaten für Fußböden benötigt werden. Solche Lackfilme, die mehrere 100 μm dick sein können, würden von der UV-Strahlung nicht mehr durchdrungen und somit nicht vollständig gehärtet werden.
Bei den UV-härtenden Lacken unterscheidet man zwei Produktgruppen, nämlich
Epoxidharze (EP-Harze) sind Kunstharze, die Epoxidgruppen tragen. Sie sind härtbare Harze (Reaktionsharze), die mit einem Härter und gegebenenfalls mit Zusatzstoffen zu einem duroplastischen Kunststoff umgesetzt werden können.
Wie Abb. 9.3.5 zu entnehmen ist, wird im Falle von UV-härtenden Lacken ein Fotoinitiator benötigt, der bei elektronenstrahlhärtenden Lacken entfallen kann. Fotoinitiatoren sind photoaktive Substanzen. Sie bilden bei Belichtung mit UV-Licht Radikale und lösen eine Polymerisation von zum Beispiel ungesättigten Acrylaten aus. Der Grund dafür ist die wesentlich höhere Energie der Elektronenstrahlung im Vergleich zur UV-Strahlung. Die UV-Strahlung kann deshalb die Reaktion der Polymere nicht direkt auslösen, vielmehr bedarf es dazu eines Fotoinitiators. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die UV-Strahlung absorbieren können und sich dadurch verändern. Diese Veränderung führt dazu, dass sie nun die Polyreaktion starten können.
Fotoinitiatoren für radikalische und kationische Lacksysteme sind unterschiedlich. Solche für radikalische Systeme bilden durch UV-Bestrahlung Radikale (das sind Moleküle mit einem einzelnen äußerst reaktiven Elektron), kationisch härtende Lacksysteme haben Säuren als Fotoinitiator, die bei UV-Bestrahlung H+-Ionen (Protonen) abgeben können. In allen Fällen muss das Absorptionsvermögen des Fotoinitiators auf die spektralen Emissionseigenschaften des UV-Strahlers abgestimmt sein.
Abb. 9.3.6: das Acrylat-Molekül und seine symbolische Darstellung (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Härtung ist also eine Polyreaktion zwischen den Molekülen des reaktiven Lackbindemittels, zu deren Start ein Fotoinitiator nötig ist, der durch energiereiche UV-Strahlung aktiviert wird. Der Vorgang der Polyreaktion wird schematisch in den Abbildungen 9.3.6, 9.3.7 und 9.3.8 am Beispiel der radikalischen Reaktion erläutert. Als Radikale bezeichnet man Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Elektron, die meist besonders reaktionsfreudig sind. Um die Vorgänge einfacher darstellen zu können, wird zunächst das zugrunde liegende Acrylat-Molekül symbolisiert. Basis der Polyreaktion ist die Aufspaltung der Doppelbindung mithilfe eines durch UV-Strahlung aktivierten Radikals (vgl. Abbildung 9.3.7).
UV‐Strahlung
Abb. 9.3.7: Das durch die UV-Strahlung aktivierte Radikal R kann ein Elektronenpaar der Doppelbindung im Acrylat aufspalten. Dadurch verbindet es sich mit dem Acrylat-Molekül, das dadurch selber zum Radikal wird. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Startreaktion setzt sich nun fort, wodurch sich eine sehr lange Kette aus Acrylat-Molekülen, das Polyacrylat, bildet (vgl. Abbildung 9.3.8).
Abb. 9.3.8: Fortsetzung der Polyreaktion und Bildung von Polyacrylat (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Polyreaktion bricht ab, wenn das radikalische Polyacrylat auf einen aktiven Fotoinitiator oder ein anderes radikalisches Acrylat oder Polyacrylat trifft und die beiden einzelnen Elektronen ein bindendes Elektronenpaar bilden können. Am Ende des Prozesses sollten idealerweise alle Ausgangsacrylate des Lackbindemittels zu einem festen Polyacrylatfilm ausreagiert sein. Die Reaktion findet nur während der UV-Bestrahlung statt und hört sofort auf, wenn der Bedruckstoff die Bestrahlungszone verlassen hat. In der Bestrahlungszone muss die empfangene Strahlungsleistung ausreichend hoch sein, damit die Reaktion vollständig ablaufen kann.
Es ist also möglich, dass in der Lackschicht noch Reste des monomeren Acrylats enthalten sind, es kann aber auch überschüssiger Fotoinitiator vorhanden sein. Diese Substanzen verursachen den typischen Geruch der radikalisch härtenden UV-Lacke. Sie können auch gesundheitliche Risiken bergen. Bei kationisch härtenden Lacken setzt sich im Unterschied zu den radikalischen Systemen auch nach dem Verlassen der UV-Bestrahlungszone die einmal gestartete Polyreaktion fort (Nachhärtung). Deshalb sind diese Lacksysteme deutlich geruchsärmer als die radikalischen.
Strahlenhärtende Lacke können je nach Mischungsverhältnis der Rezepturbestandteile und Wahl der Molekülgrößen dick- oder dünnflüssig eingestellt werden, sodass sie auf die Anforderungen von Lackwerken beziehungsweise Druckverfahren angepasst werden können. Sie sind als Glanzlack, Mattlack oder Effektlack verfügbar.
Lackfilmbildung und Oberflächenspannung
Damit Lacke einen gleichmäßigen und geschlossenen Film bilden können, müssen sie die zu lackierende Oberfläche benetzen können. Dies ist dann der Fall, wenn die Oberflächenspannung ?S der Oberfläche größer als die des Lacks ?L ist.
?S > ?L
Die Oberflächenspannung ist eine wichtige Kenngröße von Flüssigkeiten und Festkörpern. Bei Festkörpern charakterisiert sie die Wasserfreundlichkeit beziehungsweise die Benetzbarkeit durch Wasser. Bei Flüssigkeiten ist sie ein Maß für das Benetzungsvermögen. Je höher die Oberflächenspannung einer Oberfläche ist, desto besser kann Wasser sie benetzen, also auf der Oberfläche zu einem Film verlaufen. Ist die Oberflächenspannung niedrig, dann benetzt Wasser nicht, sondern perlt zusammen. So perlen beispielsweise auf einem frisch gewachsten Autolack Regentropfen zusammen, weil dessen Oberflächenspannung durch den Wachsauftrag stark abgesenkt wurde. Bei alten und stumpfen Autolacken dagegen ist die Oberflächenspannung hoch – und deshalb können Regentropfen einen gleichmäßigen Wasserfilm bilden.
Die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten kann leicht mit einem sogenannten Tensiometer gemessen werden. Ihre Einheit ist mN/m (Millinewton pro Meter). Wasser hat zum Beispiel eine Oberflächenspannung von 72,8 mN/m, die Oberflächenspannung von Lacken liegt in der Regel um 30 mN/m. Öle und Wachse haben sehr niedrige Oberflächenspannungen, die unter 20 mN/m liegen können. Ein Öltropfen, der auf Wasser aufgetropft wird, benetzt die Wasseroberfläche sehr gut und dehnt sich auf ihr zu einem großflächigen dünnen Film aus. Die Oberflächenspannung von Teflon ist noch niedriger als die von Öl. Damit beschichtete Pfannen werden sogar von Öl nicht benetzt.
Um erfolgreich lackieren zu können, muss die zu lackierende Fläche eine Oberflächenspannung haben, die größer als die des Lacks ist. Da es mühselig ist, stets die Oberflächenspannung des Lacks messen zu müssen, begnügt man sich mit dem oben angegebenen Durchschnittswert. Als Regel gilt, dass die Oberflächenspannung ?S der zu lackierenden Oberfläche größer als 30 mN/m sein muss, erfahrungsgemäß sollte sie sogar größer als 35 mN/m sein. Insbesondere bei bedruckten Oberflächen können diese Mindestwerte der Oberflächenspannung deutlich unterschritten werden. Der Lack perlt dann zusammen und bildet ein unruhiges Erscheinungsbild. Oft wird das als „Orangenhaut-Effekt“ bezeichnet (vgl. Abbildung 9.3.9).
Abb. 9.3.9: Lackbenetzungsstörungen (Orangenhaut-Effekt). Bildquelle: Michael Huber, Druckfarben-Echo Nr. 6
Zur Prüfung der Oberflächenspannung von zu lackierenden Flächen gibt es eine Reihe einfacher Hilfsmittel. Dazu zählen Prüftinten, die es mit verschiedenen Oberflächenspannungseinstellungen gibt. Die Prüftinten werden beginnend mit der niedrigsten Oberflächenspannung nacheinander auf die zu prüfende Fläche aufgetropft; dann wird beobachtet, ob die Tinte zusammenperlt oder zu einem Film verläuft. Die gesuchte Oberflächenspannung liegt im Bereich der Tinte, die gerade noch perlt, und der Tinte, die gerade nicht mehr perlt und einen Film bildet.
Beispiel: Um zu prüfen, ob ein Bedruckstoff lackierbar ist, muss seine Oberflächenspannung größer als 35 mN/m sein. Wenn eine Prüftinte, deren Oberflächenspannung 30 mN/m ist, auf der Oberfläche perlt, dann ist der Bedruckstoff sehr wahrscheinlich nicht lackierbar, weil seine Oberflächenspannung kleiner als 30 mN/m sein muss.
Wenn eine zu geringe Oberflächenspannung gefunden wurde und der Bedruckstoff dadurch sehr wahrscheinlich nicht lackierbar ist, dann kann durch eine geeignete Vorbehandlung die Lackierbarkeit durch Erhöhung der Oberflächenspannung hergestellt werden. Gut geeignet zur Erhöhung der Oberflächenspannung sind zum Beispiel Corona- oder Plasma-Vorbehandlungen mit ionisierter Luft. Eine Corona-Entladung entsteht zwischen 2 geeignet geformten Elektroden mithilfe eines starken elektrischen Feldes. Bei einer gewissen Feldstärke beginnt die Luft zwischen den Elektroden ionisiert zu werden; dies ist durch eine schwache Leuchterscheinung zu erkennen. Ein ionisiertes Gas wird auch als Plasma bezeichnet. Wird die Spannung weiter erhöht, so kommt es zur Bildung sogenannter Stromfäden, in denen ein starker Ionenstrom fließt. Bei noch weiterer Steigerung der Spannung kommt es schließlich zu elektrischen Durchschlägen und Blitzentladungen. Für die direkte Corona-Vorbehandlung wird die Be-triebsspannung benötigt, die zu den Stromfäden führt.
Eine der beiden Elektroden wird nun als Leitwalze ausgebildet, über die die vorzubehandelnde Materialbahn geführt wird. Die zweite Elektrode ist in der Regel kammförmig ausgebildet und dicht oberhalb der Materialbahn angeordnet. Bei richtiger Wahl der Betriebsspannung bildet sich eine Vielzahl von Stromfäden, die die Oberfläche der Materialbahn möglichst gleichmäßig belegen sollten. Die hier mit hoher Energie auftreffenden ionisierten Luftmoleküle verändern die chemische Zusammensetzung der Materialbahn: Dadurch steigen ihre Polarität und damit ihre Oberflächenspannung an.
Bei indirekter Corona-Vorbehandlung – diese wird auch als Plasma-Vorbehandlung bezeichnet – wird das Plasma mit den Stromfäden im Inneren eines Düsenkörpers erzeugt und von dort mithilfe eines Gasstroms ausgetragen. Eine unmittelbar vor der Düsenöffnung angeordnete Materialbahn wird durch die mit dem Gasstrom auftreffenden energiereichen ionisierten Luftmoleküle ebenfalls chemisch verändert – das hebt die Oberflächenspannung an.
Während die Corona-Vorbehandlung bahnbreit und damit vollflächig wirkt, kann eine Plasma-Vorbehandlung auf die Materialfläche beschränkt bleiben, auf die der Gasstrom auftrifft. Die Wirkung der Vorbehandlung lässt im Laufe der Zeit nach. Lackierungen auf vorbehandelten Flächen sollten deshalb sofort nach der Vorbehandlung erfolgen.
Auftragsgeräte für Lacke
Nach dem Auftrag sollte der Lack einen möglichst gleichmäßigen und glatten Film bilden. Der gerade aufgetragene Lackfilm ist in der Regel noch rau; es bedarf einer gewissen Zeit, bis er glatt geflossen ist. In dieser Zeit beginnt das Wegschlagen, sofern die lackierte Fläche saugfähig ist. Wenn zu viel Lack wegschlagen kann, geht der erzielbare Glanz zurück. Zur Optimierung des Glanzes muss der Zeitpunkt einsetzender Trocknung richtig gewählt werden, damit der Lack so weit wie möglich glatt geflossen und noch nicht zu viel Lack weggeschlagen ist. Die Güte der Lackierung hängt bei bedruckten Flächen auch davon ab, ob die Druckfarbe noch feucht oder bereits trocken ist. Im Flexo- und Tiefdruck wird nach jedem Druckwerk getrocknet. Hier ergeben sich kaum Unterschiede des Lackglanzes, wenn inline oder offline lackiert wird. Im Bogenoffsetdruck wird inline dagegen stets die noch nicht vollständig oxidativ getrocknete Farbe lackiert.
Als Auftragsverfahren können indirekte Verfahren wie zum Beispiel Offsetdruckwerke infrage kommen. So werden Drucklacke über das Farbwerk oder Dispersionslacke über das Feuchtmittelwerk über eine Offsetdruckplatte und Drucktuch aufgetragen. Letztere Möglichkeit der Verarbeitung von Dispersionslacken in Offsetdruckmaschinen hat den Namen „Wasserkastenlack“ begründet. Mit indirekten Verfahren können nur verhältnismäßig dünne Lackfilme im Bereich 2 – 4 μm oder etwa 2 – 4 g/m² erzeugt werden (μm = Mikrometer = 10-⁶ Meter. Im technischen Sprachgebrauch auch kurz μ (Aussprache „mü“)). Wasserkastenlackierungen müssen nach dem Auftrag mit IR- oder Heißlufttrocknern getrocknet werden.
Mit direkten Auftragsverfahren lassen sich dagegen Lackfilmdicken im Bereich 4 – 8 μm oder etwa 4 – 8 g/m² erreichen. Die direkten Verfahren sind dem Flexodruck entlehnt. Das heißt: Die Lackübertragung erfolgt mit einer weichen fotopolymeren Hochdruckform (im einfachsten Fall kann das auch ein Gummituch sein), die für Aussparungen oder Spotlackierungen entsprechend strukturiert werden kann. Die „Einfär-bung“ des Formzylinders geschieht entweder durch ein offenes System mit Glattwalzen-Dosierung oder in einem geschlossenen System mittels Kammerrakel und Rasterwalze (vgl. Abbildung 9.3.10).
Abb. 9.3.10: direkte Lackauftragsverfahren.
(a) offenes System mit glatter Dosierwalze,
(b) geschlossenes System mit Rasterwalze und Kammerrakel
(Quelle: H.Kipphan, Handbuch der Printmedien)
In vielen Druckmaschinen findet man heute in der Regel direkt arbeitende Lackauftragswerke, oft sogar zwei hintereinandergeschaltete Lackwerke, sodass mit Vorlackauftrag und Hauptlackauftrag besonders glänzende Lackierungen erzeugt werden können. Mit zwei Lackwerken können auch besondere dekorative Effekte erzielt werden – zum Beispiel matte Spotlackierungen auf vollflächiger Glanzlackierung. Im Falle von Dispersionslacken müssen die Lackwerke mit IR-Trocknern ausgestattet sein, im Falle von UV-Lacken mit den entsprechenden UV-Strahlern.
Spezielle Lackiermaschinen zum Beispiel mit Glattwalzenauftrags-verfahren können Lackfilmdicken von 20 μm (entsprechend etwa 20 g/m²) und mehr erzeugt werden. Lackiermaschinen sind offline-arbeitende Maschinen; sie sind also nicht in Druckmaschinen integriert. Noch dickere Lackschichten mit Schichtdicken von mehr als 200 μm lassen sich mithilfe des Siebdrucks erzielen.
Während Maschinen zum Auftragen von Lack in der Regel das Ziel haben, möglichst dicke Schichten zu erzeugen, gibt es auch Anwendungsbeispiele, bei denen es genau umgekehrt darauf ankommt, möglichst dünne und dabei gleichmäßige Schichten auf Papier oder auch Folie zu erzeugen. Dies ist bei der Beschichtung mit Silikon der Fall. Silikonisierte Papiere oder Folien werden als Trennmaterial in der Selbst-klebetechnik, als Verpackungsmaterial für klebrige Packgüter und viele andere Zwecke eingesetzt, bei denen es auf die Trenneigenschaften ankommt.
Silikonschichten haben in der Regel Schichtdicken zwischen 0,8 und 1,5 μm (entsprechend etwa 0,8 und 1,5 g/m²). Bei Papieren erfordern derartig dünne Schichten eine glättende und die Papierporen abdeckende Vorlackierung. Wegen der rheologischen Eigenschaften der Silikone – unabhängig davon, ob sie als wässrige Dispersion, als lösemittelfreies Silikon oder als strahlenhärtendes Silikon vorliegen – ist die zugehörige Auftragstechnik sehr speziell konfiguriert. Ähnlich wie bei einem Offset-Farbwerk werden Mehrwalzenauftragssysteme benötigt, um das Silikon hinreichend verreiben zu können. Die Auftragswerke sind je nach Maschinengeschwindigkeit 5- oder 6-Glattwalzensysteme. Weiterhin müssen die Walzen einen großen Durchmesser haben, damit das Abschleudern von Silikonpartikeln, das so genannte „misting“, so gering wie möglich stört.